In den Herbstferien wagten wir uns mal wieder auf unbekanntes Terrain. Dieses Mal ging es nach Estland, ein naturfotografisch noch recht unbeschriebenes Blatt. Man muss sagen, Estland hat für den Naturfreund viel zu bieten: weite verwunschene Wälder, die das Herz des Pilzsammlers höher schlagen lassen, unberührte Ostseeküste z.B. im Lahemaa oder im Matsalu Nationalpark sowie eine artenreiche Vogel- und Säugetierfauna. In den estnischen Wäldern kommen noch Wolf, Luchs und Braunbär vor. Einen Braunbären abzulichten war auch eines der hauptsächlichen Ziele der Reise und so verbrachten wir zwei Nächte in den von NaTourEst angebotenen „Bärenhides“ in der Alutaguse Region im Nordosten von Estland. Und tatsächlich war in der Dämmerung an beiden Abenden jeweils ein Bär zu bewundern. Leider hatte sich der Hauptdarsteller etwas Zeit gelassen mit seinem Auftritt - es war schon sehr dunkel und die ISO-Werte mussten an den Anschlag gedreht werden um noch einigermaßen vernünftige Bilder zu kriegen. Aber schon allein die Möglichkeit den behäbigen Riesen in aller Ruhe zu beobachten war die Mühe wert und ein rundherum großartiges Erlebnis. Auch Marderhunde besuchen die Fütterungen an den Hides, sie nutzen die Gunst der Stunde solange sich noch kein Bär blicken lässt und bieten dem Fotografen einen willkommenen Zeitvertreib und zusätzliche Motive.
Nach einer Woche stand ein Quartierwechsel auf dem Programm, und zwar in den Süden der Insel auf den sog. Ross of Mull. Das Gelände ist hier offener und ebener, was das Entdecken von Tieren erleichtert und das Autofahren angenehmer macht. Die mit Flechten überzogenen bunten Granitfelsen in Kombination mit den weißsandigen Stränden und dem türkisfarbenen Meer geben der Landschaft ein fast karibisches Flair.
So langsam hatten wir uns auch an die Gegebenheiten gewöhnt und waren dank des konstant guten und sonnigen Wetters viel zu Fuß an den idyllischen Stränden und im Hinterland unterwegs. Mit etwas Zeit und Muße kann man hier durchaus lohnende Motive entdecken. Und plötzlich gab es eine regelrechte „Jungvogel-Schwemme“, überall flügge Steinschmätzer, Pieper, Drosseln und andere Kleinvögel. Passenderweise halten da dann auch die Prädatoren Schritt, und so entdeckten wir auf einer unseren Wanderungen eine Gruppe frisch flügge gewordener Kornweihen, die anscheinend gerade die Umgebung ihres Neststandorts erkundeten und lauthals bettelnd von den Altvögeln gefüttert werden wollten. Die jungen Kornweihen waren noch recht neugierig und etwas weniger scheu – hoffentlich ist es ihnen nicht zum Verhängnis geworden, denn gerade in Großbritannien wird diese Art, trotz intensiver Schutzbemühungen seitens des RSPB, immer noch von einigen Vollidioten (man kann es leider nicht anders sagen) illegal verfolgt.
Frei nach Motto „Wenn du nichts Nettes sagen kannst, sag‘ lieber gar nichts“ hätte es fast keinen Blog-Eintrag zur schottischen Isle of Mull gegeben. Mit etwas Abstand und nach Durchsicht der Bilder, sind aber doch ein paar Aufnahmen und Erkenntnisse dabei, die man herzeigen bzw. weitergeben kann.
Anfangs waren wir jedoch recht enttäuscht, da sich unsere fotografischen Pläne größtenteils nicht realisieren ließen. Das als „Eagle Island“ bekannte Mull, wo Stein- und Seeadler-Beobachtungen quasi an der Tagesordnung sein sollen (klar, das Fotografieren steht noch mal auf einem anderen Blatt), erwies sich als nahezu „adlerfrei“. Nur auf die Seeadler, die von Mull Charters mit ausgeworfenem Fisch angelockt werden, war Verlass. Doch hier standen (im wahrsten Sinne des Wortes) andere Probleme im Vordergrund. Das kleine Boot war mit 12 Personen einfach zu voll, um einen vernünftigen Aktionsradius für Flugaufnahmen zu haben. Und ständig eine Maggie Thatcher Frisur anstelle des Adlers im Bild zu haben, war nicht im Sinne des Erfinders. Ein weiterer Punkt, die Uhrzeit: Vormittags um 10 Uhr beginnt die Ausfahrt – entweder ist es sonnig und das Licht grauenhaft grell oder es ist trüb und alles verschwimmt im Einheits-Grau. Man kann übrigens die ganze Tour auch im guten Abendlicht und mit wenigen Personen haben, aber das kostet dann richtig. Unter genau den gleichen Gesichtspunkten lohnt auch eine reguläre Bootstour zu den „Puffins“ nach Lunga oder Staffa für ernsthafte Fotografen eigentlich wenig. Was tun also, ein bisschen Fotopirsch mit dem Auto als rollendem Tarnzelt geht doch eigentlich immer… aber nicht auf Mull, insbesondere im bergigen Nordteil der Insel mit seinen unübersichtlichen und engen Single-track roads. In der Nebensaison mag es hier vielleicht relativ ruhig sein, aber im Hochsommer ist ordentlich was los und so verging uns ziemlich schnell der Spaß an der zusätzlichen Autofahrerei.
Etwas wehmütig denken wir zurück an unser langes Wochenende auf dem Niederhorn. Die atemberaubende Landschaft im Berner Oberland, die kooperativen Steinböcke und die frischen Temperaturen auf rund 2000m Meereshöhe – welch eine Erholung im Vergleich zum „Backofen Vorderpfalz“ im Sommer 2018!
Nachdem unser Niederhorn-Wochenende mit Regenschauern und sich hartnäckig haltenden Nebelbänken begonnen hatte, klarte es im Laufe des Montags auf und am Dienstag (unserem Abschlusstag) genossen wir dann endlich noch einen Bilderbuchmorgen mit perfektem Bergwetter. Die Steinböcke auf dem Niederhorn sind zwar recht zutraulich, aber es handelt sich immer noch um Wildtiere, und so sind die Begegnungen mit ihnen keineswegs garantiert und man muss erst einmal suchen bzw. ihr Verhalten und ihre bevorzugten Stellen kennen, bevor man sich ans Fotografieren machen kann.
Hier ist es ratsam, die mitzuschleppende Fotoausrüstung etwas auszudünnen. Denn das Berg- und Tallaufen auf dem sog. Güggisgrat zwischen Niederhorn und Gemmenalphorn bringt einige Höhenmeter mit sich und man ist froh über jedes Gramm weniger, zumal man ja auch noch Wasser, Proviant, Regenschutz etc. mit sich rumtragen muss. So verzichteten wir z.B. auf Stative und große Festbrennweiten – das 4.0/400 DO, ein Telezoom und ein Weitwinkelzoom erwiesen sich als guter Kompromiss in Sachen Gewicht bei der Fotoausrüstung. Generell ist man bei den Steinböcken mit Zoom-Objektiven besser beraten als mit einer Festbrennweite. Da sie meist in kleineren Gruppen unterwegs sind, ergeben sich immer wieder wechselnde Situationen – vom Porträt bis zur Actionszene mit mehreren Tieren – und man ist froh, wenn man schnell darauf reagieren kann.
Zugebenermaßen kein besonders origineller Titel, aber was Besseres ist mir nicht eingefallen. Mit diesem kleinen Projekt, das ich seit letztem Jahr nebenher betreibe, möchte ich zweierlei erreichen. Zum einen etwas naturfotografische Entschleunigung betreiben, fotografieren ohne lange Anfahrten und zermürbendes Ansitzen, denn der Aktionsradius für dieses Projekt beschränkt sich auf genau 561 Quadratmeter, exakt die Größe von unserem Grundstück. Der Nachteil, unberührte Natur sowie spektakuläre und seltene Arten wird man vergeblich suchen. Der Vorteil, man ist quasi immer vor Ort, und kann direkt auf besondere Ereignisse, Lichtsituationen usw. reagieren, und die kreativsten Ideen kommen einem sowieso abends nach dem Grillen beim zweiten Bier :-) Zum anderen möchte ich demonstrieren, dass man aus einem durchschnittlichen deutschen Garten, wenn er - teils aus Absicht, teils aus mangelnder gärtnerischer Kenntnis - nicht gerade totgepflegt wird, durchaus auch naturfotografisch etwas "herausholen" kann. Dabei habe ich den Anspruch durchweg ästhetische Naturfotos zu produzieren, denen man nicht auf den ersten Blick ihren Entstehungsort "Hausgarten" ansieht. Den Grauschnäpper habe ich übrigens dazu gemogelt, der saß in "Nachbars Garten", aber da wachsen ja bekanntlich ohnehin immer die besten Sachen...
Unaufhaltsam geht es weiter und die Fotosaison schreitet voran. Immer mehr Zugvögel kehren in ihre Brutgebiete zurück und besetzen zum Teil lautstark ihre Reviere, die Orchideen stehen jetzt für kurze Zeit in voller Blüte und auch Insekten und andere Wirbellose sind jetzt wieder anzutreffen. Leider wird es aber von Jahr zu Jahr immer schwerer seine Motive zu finden. Das Thema „Insektensterben“ ist zurzeit in aller Munde – und von einigen wenigen Kleinoden abgesehen, findet man in unserer aufgeräumten Landschaft z.B. kaum noch Gebiete mit nennenswerten Vorkommen von Tagfaltern. Eines dieser letzten kleinen Paradiese ist das Haff Réimich in Luxemburg, renaturierte Kiesgruben mit einem bemerkenswerten Arteninventar. Mitte Mai konnten wir dem Gebiet einen kurzen Besuch abstatten.
Nachdem bei uns dieses Jahr gefühlt bis mindestens Ende März Winter geherrscht hatte, explodierte die Natur mit den ersten warmen Tagen im April förmlich. Viel zu tun für uns Naturfotografen, man kommt gar nicht mehr hinterher und möchte an vielen Motiven gleichzeitig „dran“ sein. Manchmal wünscht man sich, man könnte die Zeit ein wenig anhalten, um die Vielfalt jetzt besser auskosten zu können – gar nicht so einfach neben den alltäglichen Verpflichtungen rund um Beruf, Familie, Haus und Garten, Zeit und Muße für die Fotografie zu finden. Da kommen die langen Wochenenden im Mai gerade recht. Auf ein paar Kurztrips versuchten wir einige frühlingshafte Momente einzufangen. Die erste Tour führte uns ins schöne Münchner Umland…
Plötzlich steht ein Fuchs vor einem, noch schnell ein sichernder Blick von Meister Reineke, und dann gibt er Fersengeld und verschwindet ins Unterholz. So oder ähnlich verlaufen die meisten oft zufälligen Begegnungen mit dem Rotfuchs. Man kann es ihm auch nicht recht verübeln, dass er sich in Gegenwart des Menschen nicht sonderlich wohl fühlt und lieber das Weite sucht - zu lange und unbarmherzig wurden und werden die Füchse hierzulande verfolgt. Eine schlechte Ausgangsposition für den Naturfotografen erst mal. In Städten oder im benachbarten Ausland, wo gar nicht gejagt werden darf bzw. weitaus striktere Jagdregulierungen gelten, gibt es Füchse, die an die Präsenz von (für sie harmlosen) Menschen gewöhnt sind und sich dementsprechend weniger scheu verhalten.
Da kann man den Tieren dann schon mal näher kommen und sich auch fotografisch ausgiebiger mit ihnen beschäftigen. Was für herrliche Geschöpfe das sind! Der lange und dichte Winterpelz, der je nach Lichtbedingungen in den unterschiedlichsten Rottönen leuchtet - das Spiel der Ohren, die sich ständig wie kleine Radarantennen den Geräuschquellen der Umgebung zuwenden - die tollen Augen mit den senkrechten Pupillen, mal schlitzförmig im grellen Sonnenlicht, mal weit und groß für die Streifzüge in der Dämmerung. So viele Details und schöne Momente. Da fehlt einem dann irgendwie das Verständnis, dass es Menschen gibt, die danach trachten einem solchen Tier unter fadenscheinigen Vorwänden das Lebenslicht auszublasen!
Unmittelbar nach den Weihnachtsfeiertagen machten wir uns wieder auf den Weg nach England, um im Norden Norfolks noch mal unser Glück bei den Schleiereulen zu versuchen. Ich hatte mir selbst die 1DX Mark II unter den Tannenbaum gelegt, welche natürlich auch an der englischen Vogelwelt ausgetestet werden sollte. Man muss schon sagen, dass der Autofokus dieser Kamera noch mal eine deutliche Verbesserung gegenüber z.B. dem der 7D Mark II darstellt. So macht das Fotografieren von fliegenden Vögeln endlich wieder mehr Spaß, wenn einem der AF nicht dauernd auf den Hintergrund davonrennt.
In den ersten Tagen hielten sich die „barn owls“ (wie die Schleiereulen auf Englisch heißen) noch im Verborgenen, doch am Neujahrsmorgen hatten wir dann Glück - direkt vor der Haustür über einer Grasfläche am Ortsrand jagte eine Schleiereule und drehte einige Runden vor unseren Kameras. So fängt das Neue Jahr doch gleich mal gut an…
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